Abweichungen zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz


Da Sie mit Ihrem Unternehmen sowohl der handelsrechtlichen als auch der steuerrechtlichen Verpflichtung zur Buchführung unterliegen, muss für das von Ihnen geführte Unternehmen zum nächstfolgenden Abschlussstichtag sowohl eine Handelsbilanz als auch eine Steuerbilanz erstellt werden. Nachfolgend möchte ich/möchten wir Ihnen die wesentlichen und relevanten Unterschiede erläutern, die sich im Rahmen der Erstellung ergeben können.

Zunächst gilt, dass die Steuerbilanz die primäre Besteuerungsgrundlage für das Finanzamt bildet. Sie wird dem Grunde nach aufgestellt als Steuerbemessungsgrundlage für die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer sowie die Gewerbesteuer.

Grundsätzlich besteht die Verpflichtung zur Aufstellung einer Handelsbilanz nur, sofern Sie unter die generelle Buchführungspflicht des Handelsgesetzbuchs fallen (Stichwort: Kaufmannseigenschaft). Es gilt zu unterscheiden zwischen dem Istkaufmann, dem Kannkaufmann und dem Formkaufmann. Sind Sie als Unternehmer nach Handelsrecht zur Buchführung verpflichtet, müssen Sie neben der Handelsbilanz verpflichtend auch eine Steuerbilanz erstellen. Besteht für Sie weder eine handelsrechtliche noch eine steuerliche Buchführungspflicht, bildet die sog. Einnahmen-Überschussrechnung die Besteuerungsgrundlage für das Finanzamt.

Da die Handelsbilanz nach den Anwendungsvorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB) erstellt wird und die Steuerbilanz nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG), kann es zu unterschiedlichen Ansätzen einzelner Vermögens- und Schuldpositionen kommen. Durch unterschiedliche Ansätze zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz ergibt sich dann in der Folge ein unterschiedlich hoher Gewinn. Das bedeutet, der Gewinn, den die handelsrechtliche Gewinn- und Verlustrechnung ausweist, kann vom Gewinn, den die steuerliche Gewinn- und Verlustrechnung ausweist, abweichen. Dabei bildet die steuerliche Gewinn- und Verlustrechnung einen Bestandteil des steuerlichen Jahresabschlusses und die handelsrechtliche Gewinn- und Verlustrechnung einen Bestandteil des handelsrechtlichen Jahresabschlusses.

Das bedeutet z. B., dass aufgrund unterschiedlich bewerteter Ansätze von Vermögenspositionen in der Steuerbilanz im Verhältnis zur Handelsbilanz, der handelsrechtliche Gewinn höher sein kann als der steuerliche Gewinn, oder umgekehrt. Bei Einzelkaufleuten besteht der Jahresabschluss in der Regel nur aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung. Bei Kapitalgesellschaften hingegen werden die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung um den Lagebericht und den Anhang erweitert, die ebenso Bestandteile des Jahresabschlusses sind.

Welche wichtigen Ansatzunterschiede zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz gibt es?

Betrachtet man nun die Handelsbilanz und die Steuerbilanz getrennt voneinander, kann es Abweichungen geben, die auf ausgeübten steuerlichen oder handelsrechtlichen Wahlrechten beruhen. Es können sich aber auch Unterschiede aus der Tatsache ergeben, dass es für die Handelsbilanz zwingende Ansatzverpflichtungen gibt für eine Vermögens- oder Schuldposition und für die Steuerbilanz gibt es für diese Vermögens- oder Schuldposition ein Ansatzverbot.

Beispiel: Ein buchführungspflichtiger Gewerbetreibender hat in seiner Handelsbilanz zum 31.12.2018 12.000 EUR Betriebsausgaben gewinnmindernd als Aufwand erfasst. Dieser Aufwand darf in der Steuerbilanz nicht in kompletter Höhe sofort als Aufwand erfasst werden, sondern muss aktiviert werden. Dementsprechend ist der Gewinn laut Steuerbilanz um 12.000 EUR höher als der Gewinn laut Handelsbilanz.

Bezüglich des zu versteuernden Gewinns würde sich das Finanzamt grundsätzlich am in der Steuerbilanz abgebildeten Gewinn orientieren.

Die Bedeutung der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz

Der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz bedeutet, dass sofern keine steuerlichen Bestimmungen vorliegen, die einen abweichenden Bilanzansatz erforderlich machen, die Steuerbilanz den Werten und Ansätzen entspricht, die auch in der Handelsbilanz zum Ansatz kamen. Handelsbilanz und Steuerbilanz können somit übereinstimmen, müssen das aber nicht. Schon gewusst? Sind Handelsbilanz und Steuerbilanz identisch, spricht man von der sog. Einheitsbilanz.

Wesentliche Unterschiede zwischen der Handelsbilanz und der Steuerbilanz finden sich insbesondere in den folgenden Bereichen:

Ansatzunterschiede zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz bei aktiver Rechnungsabgrenzung

In der Handelsbilanz besteht für die Positionen der aktiven Rechnungsabgrenzung ein Wahlrecht, diese im Jahr ihrer Entstehung sofort in voller Höhe als Aufwand zu verbuchen oder wahlweise über die entsprechende Laufzeit abzuschreiben.

Für die Steuerbilanz müssen diese Aufwendungen grundsätzlich auf den entsprechenden Zeitraum, dem sie zuzurechnen sind, verteilt werden.

Beispiel: Im April 2019 wird vom Unternehmer ein Darlehen in Höhe von 150.000 EUR mit einer Laufzeit von 10 Jahren aufgenommen. Die Bank behält ein Disagio von 3 % der Darlehenssumme bei Aufnahme des Darlehens. Dieses Disagio in Höhe von 4.500 EUR muss nun auf der Aktivseite der Bilanz als Rechnungsabgrenzungsposten berücksichtigt werden. Das bedeutet, für die Handelsbilanz besteht das Wahlrecht, entweder das Disagio in voller Höhe als Betriebsausgaben gewinnmindernd zu verbuchen, oder es über die Laufzeit des Darlehens anteilig zu verteilen.

In der Steuerbilanz muss das Disagio auf der Aktivseite der Bilanz zwingend aktiviert werden und im Jahr 2019 darf nur der auf das Jahr 2019 entfallende Teil als Aufwand verbucht werden. Dieser errechnet sich wie folgt: 4.500 EUR : 10 Jahre Laufzeit = 450 EUR; zeitanteilig ab Aufnahme des Darlehens für 9 Monate mit einem Betrag von 9/12 von 450 EUR = 337,50 EUR.

Ansatzunterschiede zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz bei der Bewertung der Vorräte - Bewertungsvereinfachungsverfahren

Am Ende eines Geschäftsjahrs, also in der Regel zum 31.12., macht jeder Unternehmer die verpflichtende Inventur. Im Rahmen dieser Inventur überprüft der Unternehmer, welche Wirtschaftsgüter seines Umlaufvermögens sich zum Bilanzstichtag noch am Lager befinden. Diese Bestände werden mit den entsprechenden Werten in der Bilanz abgebildet. Hat der Unternehmer an verschiedenen Stichtagen im Jahr die gleiche Ware eingekauft, aber zu jeweils unterschiedlichen Preisen, ist bei der Inventur oft kaum mehr nachvollziehbar, wann und zu welchem Preis welche eingekaufte Ware tatsächlich veräußert wurde. Hier bedient sich der Unternehmer der sog. Bewertungsvereinfachungsverfahren.

Bewertungsvereinfachungsverfahren
                                                         HB           StB

Lifo-Methode                             | erlaubt | erlaubt
Fifo-Methode                             | erlaubt | verboten
Durchschnittswertverfahren   | erlaubt | erlaubt

Ansatzunterschiede zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz bei Rückstellungen

Bezüglich der in der Handelsbilanz zu bildenden Rückstellungen kommen alle in HGB genannten Rückstellungen in Betracht. Diese dort zu findenden Rückstellungen müssen für die Handelsbilanz auf der Passivseite der Bilanz zum Ansatz kommen.

Für die Steuerbilanz findet das ebenso Anwendung im Rahmen der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz. Allerdings besteht für die Steuerbilanz ein Ansatzverbot zur Bildung der Rückstellung für sog. drohende Verluste aus schwebenden Geschäften.

Beispiel: Eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften wird z. B. gebildet, wenn ein Industriebetrieb sich vertraglich verpflichtet hat, eine Maschine aus Edelstahl für den Kunden zu einem Festpreis von 18.000 EUR netto herzustellen und im Zeitraum der Herstellung die Preise für Edelstahl so stark ansteigen, das die Maschine in der Produktion bereits 20.000 EUR kosten würde. Hier wäre der Verkäufer verpflichtet, zum Bilanzstichtag eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften in Höhe von 2.000 EUR (20.000 EUR – 18.000 EUR) zu bilden.

Ansatzunterschiede zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz bei Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern

Handelsrechtlich muss unterschieden werden zwischen den Bestandteilen, die zwingend zu den Herstellungskosten der Wirtschaftsgüter gehören und denen, die lediglich als Wahlrecht in die Berechnung der Herstellungskosten einbezogen werden können. Zu den Bestandteilen, welche in der Handelsbilanz zwingend in die Herstellungskosten eines Vermögensgegenstands einbezogen werden müssen, gehören

  • die Materialeinzelkosten,
  • die Materialgemeinkosten,
  • die Fertigungseinzelkosten und die Fertigungsgemeinkosten,
  • die Sondereinzelkosten der Fertigung
  • und der fertigungsbedingte Werteverzehr des Anlagevermögens.


Diese Bestandteile bilden die handelsrechtliche Wertuntergrenze. Im Rahmen der Ausübung eines Ansatzwahlrechts können noch zusätzlich die Verwaltungsgemeinkosten sowie bestimmte Fremdkapitalzinsen angesetzt werden.

Zu den Bestandteilen, die in der Steuerbilanz zwingend in die Herstellungskosten eines Vermögensgegenstands einbezogen werden müssen, gehören

  • die Materialeinzelkosten,
  • die Materialgemeinkosten,
  • die Fertigungseinzelkosten und die Fertigungsgemeinkosten,
  • die Sondereinzelkosten der Fertigung
  • und der fertigungsbedingte Werteverzehr des Anlagevermögens.


Zusätzlich besteht für die Steuerbilanz eine Verpflichtung, die Verwaltungsgemeinkosten in die Herstellungskosten einzubeziehen. Das bedeutet, der Ansatz eines selbst hergestellten Wirtschaftsguts in der Steuerbilanz ist höher als der Ansatz desselben Wirtschaftsguts in der Handelsbilanz. Somit ist in der Folge der Gewinn in der Steuerbilanz höher als in der Handelsbilanz.

Ansatzunterschiede zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz bei der Bilanzierung von abnutzbarem Anlagevermögen:

  1. Die Erstbewertung von abnutzbarem Anlagevermögen erfolgt sowohl in der Handelsbilanz als auch in der Steuerbilanz mit den Anschaffungskosten bzw. den Herstellungskosten.
  2. Während in der Handelsbilanz das Wahlrecht besteht, ein Wirtschaftsgut linear, degressiv oder im Rahmen einer Leistungs-AfA abzuschreiben, werden die Wirtschaftsgüter in der Steuerbilanz in der Regel wie folgt abgeschrieben:


Gebäude:  Grundsatz: linear/ Ausnahme: degressive AfA
Unbewegliche Wirtschaftsgüter: Lineare Abschreibung
Bewegliche Wirtschaftsgüter: Lineare Abschreibung, degressive Abschreibung, Abschreibung nach Leistung

Die sog. Sonderabschreibung ist nur für die Steuerbilanz zulässig.

Ansatzunterschiede zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz bei der Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter

Immaterielle Wirtschaftsgüter stellen körperlich nicht fassbare Gegenstände dar, z. B. Patente, Rechte und Lizenzen oder der Firmenwert.

Welche Besonderheiten gelten in der Steuerbilanz für immaterielle Wirtschaftsgüter?

  • Für selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter besteht ein Aktivierungsverbot.
  • Als Abschreibung ist nur die lineare Abschreibung zulässig.
  • Der Geschäfts- oder Firmenwert muss über eine Nutzungsdauer von 15 Jahren abgeschrieben werden.


Ansatzunterschiede zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz bei Folgebewertung von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens und des Umlaufvermögens

Zum Jahresende muss bei Erstellung der Bilanzen geprüft werden, ob die abgebildeten Vermögensgegenstände des Anlagevermögens und des Umlaufvermögens mit den Werten, mit denen sie in der Bilanz abgebildet sind, tatsächlich "am Markt" bestehen können. Ist der für diese Wirtschaftsgüter erzielbare Veräußerungspreis niedriger als der in der Bilanz abgebildete Buchwert, kommt unter bestimmten Voraussetzungen ggf. eine sog. außerplanmäßige Abschreibung zum Tragen. Das bedeutet, diese Wirtschaftsgüter müssen dann in Handelsbilanz und Steuerbilanz mit niedrigeren Werten zum Ansatz kommen.

  1. Folgebewertung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in der Handelsbilanz:
    Liegt bei einem Wirtschaftsgut des Anlagevermögens eine dauerhafte Wertminderung vor, smuss das Wirtschaftsgut in der Handelsbilanz zwingend auf den niedrigeren Wert abgeschrieben werden. Liegt jedoch nur eine vorübergehende Wertminderung vor, besteht ein Verbot zur Abschreibung auf den niedrigeren Wert
  2. Folgebewertung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens in der Handelsbilanz:
    Liegt bei einem Wirtschaftsgut des Umlaufvermögens eine dauerhafte Wertminderung vor, muss das Wirtschaftsgut in der Handelsbilanz zwingend auf den niedrigeren Wert abgeschrieben werden. Liegt eine vorübergehende Wertminderung vor, muss das Wirtschaftsgut in der Handelsbilanz zwingend auf den niedrigeren Wert abgeschrieben werden.
  3. Folgebewertung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in der Steuerbilanz:
    Liegt bei einem Wirtschaftsgut des Anlagevermögens eine dauerhafte Wertminderung vor, so besteht für die Steuerbilanz ein Wahlrecht, das Wirtschaftsgut auf den niedrigeren Wert abzuschreiben. Liegt jedoch nur eine vorübergehende Wertminderung vor, besteht ein Verbot zur Abschreibung
  4. Folgebewertung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens in der Steuerbilanz:
    Liegt bei einem Wirtschaftsgut des Umlaufvermögens eine dauerhafte Wertminderung vor, so kann das Wirtschaftsgut in der Steuerbilanz im Rahmen eines ausgeübten Wahlrechts auf den niedrigeren Wert abgeschrieben werden. Liegt eine vorübergehende Wertminderung vor, so besteht ein Verbot, das Wirtschaftsgut auf den niedrigeren Wert abzuschreiben.


Mein/Unser Service

In einem individuellen persönlichen Gespräch erläutere ich Ihnen gerne alle Möglichkeiten der steuerlichen Gestaltung im Rahmen der Ansatzwahlrechte für die Handelsbilanz und die Steuerbilanz. Denn wie Sie lesen konnten, ergeben sich diverse Möglichkeiten, den Gewinn eines bestimmten Veranlagungsjahrs in seiner Höhe zu modifizieren und die daraus resultierende Steuerlast zu erhöhen oder zu vermindern.


** vgl. HSO Excellence, Geismann, HI10997309, Stand: 21.06.2019